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    Neuer Vorstoß beim vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren

    Praxis des Insolvenzrechts: Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren

    Vorstoß auf europäischer Ebene hat Diskussion neu entbrannt

    Die nach der Verabschiedung des ESUG im Jahr 2012 zum Erliegen gekommene Diskussion über ein vorinsolvenzliches und vom Insolvenzplanverfahren abzugrenzendes Sanierungsverfahren nimmt vorzeitig wieder an Fahrt auf. Hatte sich der deutsche Gesetzgeber mit der Verabschiedung des ESUG im Jahr 2012 klar gegen ein eigenständiges Sanierungsverfahren außerhalb der Insolvenzordnung positioniert und stattdessen die vorläufige Eigenverwaltung gestärkt und durch ein „Schutzschirmverfahren“ aufgewertet, war eine Evaluation dieser Neuregelungen erst für das Jahr 2017 vorgesehen. Was ist geschehen?

    Am 12.03.2014 sprach die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten die Empfehlung „für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen“ aus, welche in den Mitgliedsstaaten allerdings nicht die erhoffte Wirkung erzeugte. Daher hat die EU-Kommission am 30.09.2015 einen Aktionsplan veröffentlicht und einen Legislativentwurf im Bereich des Insolvenzrechts mit dem Ziel der Schaffung eines „echten Kapitalbinnenmarktes“ angekündigt. Ob es sich dabei letztlich um eine Richtlinie oder eine Verordnung handeln wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedenfalls, dass es voraussichtlich noch in diesem Jahr zu einem Legislativentwurf der Kommission kommen wird.

    Der Vorstoß auf europäischer Ebene hat nicht nur das Bundesjustizministerium überzeugt, die ESUG-Evaluation vorzuziehen und insbesondere erneut die Notwendigkeit und Ausgestaltung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens zu diskutieren. Es ist daher für alle mit dem Insolvenzrecht und der Sanierung Befassten der richtige Zeitpunkt gekommen, sich an dieser Diskussion mit konkreten Vorschlägen aktiv zu beteiligen.

    Wie ein solches vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren konkret ausgestaltet sein kann oder soll, ist noch völlig offen; allerdings liefert die Empfehlung der Kommission genügend Anhaltspunkte für die Eckpfeiler einer solchen Regelung. So wird ein Verfahren gefordert, welches ein Höchstmaß an Werterhaltung sicherstellt und dessen Ziel die Verhinderung eines Insolvenzverfahrens sein soll. Dabei dürfte auch von Bedeutung sein, inwieweit dem sanierungswilligen und sanierungsfähigen Unternehmen das Stigma eines öffentlichen Insolvenzverfahrens mit all seinen negativen Auswirkungen erspart bleibt. Genau dieses aber wird mitunter als maßgeblicher Grund dafür angesehen, dass die Zahl der ESUG-Verfahren immer noch hinter den Erwartungen zurückbleibt.

    Allerdings resultiert hieraus nicht zwangsläufig die Notwendigkeit, ein Verfahren zum Zwecke der frühzeitigen Sanierung von Unternehmen außerhalb der Insolvenzordnung zu installieren. Vielmehr darf die über viele Jahre seit Einführung der Insolvenzordnung gewachsene Sanierungskultur nicht leichtfertig durch die Schaffung eines gesonderten Sanierungsverfahrens aufgegeben werden. So könnte z. B. die häufig beschriebene psychologische Hürde vor dem Gang zum Insolvenzgericht durch eine Umbenennung der Insolvenzordnung zur „Sanierungs- und Insolvenzordnung“ und die weitgehende Ersetzung des Begriffes der „Insolvenz“ beseitigt werden, wie jüngst die Neue Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e.V. (NIVD) in einem Standpunkte-Papier vorschlägt1.

    Zudem erscheint es nicht erforderlich, ein solches Sanierungsverfahren an (spezialisierte) Zivilrechtskammern zu übertragen, denn die häufig geäußerte Kritik an den Insolvenzgerichten ist in ihrer Pauschalisierung nicht hinnehmbar. Allerdings könnte man in Sanierungsfällen die Insolvenzgerichte ggf. um ehrenamtliche Richter mit besonderen sanierungsrechtlichen Kenntnissen ergänzen, auch wenn das gerne bemühte Bild von überforderten und fachlich nicht auf die Situation vorbereiteten Insolvenzrichterinnen und -richtern mit der Realität wenig gemein hat. Schließlich bleibt zu klären, inwieweit ein solches Verfahren, welches zwangsläufig Insolvenzantragspflichten suspendieren würde, zu Missbrauch verleiten kann und wem die ausgleichende Schutzfunktion zuteil wird, dies zu überprüfen. Anderenfalls könnten Beteiligte wie vielleicht auch Nichtbeteiligte Schaden nehmen. Auch stellen sich weitere zentrale Fragen wie z.B. der Gewährleistung eines Minderheitenschutzes und der notwendigen Öffentlichkeit eines solchen Verfahrens. Wie lässt sich die Herausnahme bestimmter Gläubiger(gruppen) aus dem Konzept rechtfertigen und wer übt die Kontrollfunktionen aus?

    Die Diskussion einer möglichen Reform des deutschen Sanierungsrechts in Richtung eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens hat gerade erst (neu) begonnen und zeigt, wie groß der Klärungsbedarf ist. Zudem macht sie deutlich, dass die Vorstellungen über die Funktion und Ausgestaltung eines solchen Verfahrens noch überaus vielschichtig sind. Aber auch, wenn man die Empfehlungen aus Brüssel ernst nimmt, können mitunter schon einfache Erweiterungen des bisherigen Systems von gerichtlichen Sanierungs- und Liquidationsverfahren die Effizienz und Geschwindigkeit von Sanierungen erhöhen, die Sanierungskultur weiter verbessern und Missbräuche verhindern, ohne die Aufbauarbeit der letzten Jahrzehnte zu gefährden.

    1) NIVD Standpunkt 1/2016: „NIVD fordert die Stärkung und Ergänzung des bisherigen Sanierungsrechts“

    Winfried Bongartz
    Rechtsanwalt

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