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    Bargeschäftsprivileg (§ 142 InsO) gilt nicht bei der Anfechtung von Gesellschaftersicherheiten

    Rechtsprechung I BGH, Urteil vom 14. Februar 2019 – IX ZR 149/16

    Im Rahmen der vorliegenden Entscheidung hatte der IX. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) Gelegenheit, eine für die Insolvenzverwaltung sehr praxisrelevante Frage zu klären: Kann sich ein Gesellschafter, gegen den Anfechtungsansprüchen nach § 135 I Nr. 1 InsO geltend gemacht werden, mit dem sogenannten Bargeschäftsprivileg verteidigen? In der Urteilsbegründung setzt sich der BGH ausführlich mit den Ansichten zu diesem seit Jahren strittigen Thema auseinander und lehnt eine Anwendung des § 142 InsO im Ergebnis ab.  

    Dem sehr umfangreichen Urteil lag (bezogen auf die hier interessierende Rechtsfrage) folgender Sachverhalt zu Grunde: Die spätere Insolvenzschuldnerin, eine GmbH, verfolgte die Geschäftsidee, Immobilien zu erwerben und diese an Einzelhandelsunternehmen zu vermieten. Zur Finanzierung der Immobilienkäufe wurden Bankdarlehen aufgenommen und durch erstrangige Grundschulden an den erworbenen Immobilien besichert. Um das dafür notwendige Eigenkapital aufzubringen, emittierte die Schuldnerin im Jahr 2006 Inhaber-Teilschuldverschreibungen im Gesamtwert von € 30 Millionen, die in einer Globalurkunde verbrieft waren. Anleger, die solche Anleihen erwarben, sollten durch nachrangige Grundschulden an den Grundstücken abgesichert werden. Dazu schloss die Schuldnerin mit einer Anwaltssozietät am 15. August 2006 einen Rahmen-Treuhandvertrag ab. Die Treuhänderin wurde darin beauftragt, die Anlagegelder der Anleihegläubiger auf einem Treuhandkonto zu sammeln und nach einer Mittelverwendungskontrolle durch eine Sparkasse zum Erwerb von Grundstücken gegen Einräumung eines nachrangigen Grundpfandrechts freizugeben. Die Inhaber der Schuldverschreibungen bildeten dabei eine Bruchteilsgemeinschaft bezüglich der Grundpfandrechte. Ende 2006 übernahm auch die Hauptgesellschafterin der Schuldnerin mehr als 10.000 dieser Anleihenund übertrug diese auf ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft, die Beklagte.

    Frühestens im Jahr 2010 geriet die Schuldnerin in die Krise. Auf ihren Eigenantrag hin wurde am 28. September 2012 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser sah die Sicherheitenbestellung zu Gunsten der Gesellschafterin als nach § 135 I Nr. 1 InsO anfechtbar an und verlangte von der Beklagten die Rückübertragung ihres Anteils an der Bruchteilsgemeinschaft der Schuldverschreibungsgläubiger sowie die Abtretung ihrer Ansprüche gegen die Treuhänderin. Das Landgericht Düsseldorf hatte die Klage in diesem Punkt in erster Instanz abgewiesen und auch die Berufung des Klägers war ohne Erfolg geblieben.

    Dagegen kam der Bundesgerichtshof nun zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 135 I Nr. 1 InsO erfüllt sind. In der ausführlichen Begründung (Rn. 37 bis 53 des Urteils) stellt der Senat zunächst fest, dass der Abschluss des Treuhandvertrags zugunsten der Beklagten zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hat. Sie bestehe darin, dass es aufgrund der für die Beklagte dadurch begründeten Anteile an der Bruchteilsgemeinschaft der Anleihegläubiger und ihrer daraus folgenden Ansprüche gegen die Treuhänderin nach Verwertung der nachrangigen Grundschulden zu einer Verkürzung der Zugriffsmöglichkeit der übrigen Insolvenzgläubiger gekommen sei.

    Sodann setzt sich die Entscheidung mit der in der Literatur kontrovers diskutierten Frage auseinander, ob ein unanfechtbares Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vorliegen könnte. Dies wird von zahlreichen Autoren insbesondere für den Fall der sogenannten „anfänglichen Sicherheit“ vertreten. Gemeint ist damit eine Sicherheit, deren Bestellung bereits in unmittelbarem Zusammenhang mit der Darlehensgewährung erfolgt und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich die Darlehensnehmerin womöglich bereits in der Krise befunden hat. Zwar gibt der Senat den Befürwortern einer Anwendung des Bargeschäftsprivilegs zu, dass die Gesetzessystematik für deren Auffassung spreche. Dies sei aber letztlich ein schwaches Argument, das weder vom Wortlaut der beiden Vorschriften noch durch deren Entstehungsgeschichte gestützt werde. Entscheidend ist nach Ansicht des BGH letztlich, dass Sinn und Zweck der Vorschriften gegen die Anwendung des Bargeschäftsprivilegs sprechen: Der Nachrang der Gesellschafterforderungen nach § 39 I Nr. 5 InsO und der Anfechtungstatbestand des § 135 I Nr. 1 InsO sollten Vorsorge dagegen treffen, dass der Gesellschafter das mit einer Darlehensgewährung verbundene Risiko auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger abwälze. Die Inanspruchnahme einer Sicherung für ein Gesellschafterdarlehen belege dagegen, dass der Gesellschafter versuche, in die Rolle eines außenstehenden Dritten einzurücken und die Übernahme einer Finanzierungsfolgenverantwortung ablehne.

    Eine Privilegierung anfänglicher Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen unterliefe zudem das erklärte Ziel des Gesetzgebers, Rückzahlungen aus Gesellschafterdarlehen im Jahr vor der Antragstellung einem konsequenten Anfechtungsregime zu unterwerfen. Eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs würde dem Gesellschafter dagegen die Möglichkeit eröffnen, sogar bei einem innerhalb des kritischen Zeitraums gewährten Darlehen die Rechtsfolge des § 135 I Nr. 2 InsO zu umgehen, indem er eine in unmittelbarer Nähe zur Ausreichung der Darlehensvaluta gewährte Sicherheit verwertet. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen kommt der Senat zu dem klaren Ergebnis, dass § 142 InsO im Falle einer Anfechtung nach § 135 I Nr. 1 InsO nicht anwendbar ist.

    Es ist übliche Praxis, dass sich Gesellschafter für Darlehen, die sie der Gesellschaft gewähren, von dieser Sicherheiten einräumen lassen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Entscheidung muss damit gerechnet werden, dass die Bestellung solcher Gesellschaftersicherheiten im Insolvenzfall künftig deutlich häufiger angefochten wird. Angesichts der zehnjährigen Anfechtungsfrist des § 135 I Nr. 1 InsO gilt dies auch für solche Sicherheiten, die bereits vor langer Zeit Zug um Zug gegen Darlehensgewährung bestellt worden sind. Zwar ist Gegenstand des Urteils § 142 InsO in seiner alten Fassung (nach Art. 103j I EGInsO vor Inkrafttreten der Reform des Insolvenzanfechtungsrechts zum 05. April 2017). Da der BGH eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs im Rahmen des § 135 I InsO aber generell ablehnt, steht nicht zu erwarten, dass die Anfechtbarkeit nach den im Rahmen der Reform vorgenommenen Ergänzungen des § 142 InsO anders zu beurteilen ist.

    Dr. Christoph Glatt LL.M.
    Rechtsanwalt

    Fachanwalt für Insolvenzrecht

     

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