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    Anhaltspunkte für Zahlungseinstellung

    Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – IX ZR 188/154

    Bei Teil- oder Ratenzahlungen muss der Gläubiger nicht mehr auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit schließen

    Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung präzisiert und damit zugleich die Rechtsstellung von Lieferanten verbessert. Im vorliegenden Fall hatte der Insolvenzverwalter geklagt. Die Beklagte belieferte den im Bereich des Dachdeckerhandwerks tätigen Schuldner mit Baumaterialien. Hieraus resultierten im Jahr 2011 Forderungsrückstände in Höhe von € 10.684,09. Der Schuldner teilte der Beklagten Anfang 2011 mit, er könne die gesamte offenstehende Forderung nicht sofort und nicht in einem Zuge begleichen. Auf wiederholte Mahnungen zahlte er in der Folgezeit in sechs Raten insgesamt € 6.015,18 an die Beklagte. Der Kläger nahm die Beklagte in erster und zweiter Instanz ohne Erfolg u.a. auf Erstattung dieses Betrages in Anspruch.

    Der BGH hat die Klage abgewiesen und insbesondere die für eine Rückzahlung erforderliche Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes bei der Beklagten verneint. Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kenne der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so wisse er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern. Mithin sei der Anfechtungsgegner regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO sei die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet. Eine Zahlungseinstellung könne aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden.

    Aus der Äußerung des Schuldners, er könne die insgesamt offenstehende Forderung nicht sofort und nicht in einem Zuge bezahlen, habe die Beklagte nicht zwingend auf dessen Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) schließen müssen. Zwar deuteten eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen waren. Die Beklagte habe aber aus dem isolierten Beweisanzeichen nicht notwendigerweise auf eine Zahlungseinstellung schließen müssen. Auch wenn die Mitteilung einen Liquiditätsengpass vermuten ließ, brachte sie – weil eine vollständige ratenweise Tilgung der Forderung in Aussicht gestellt wurde (im Unterschied zu dem Hinweis auf einen ohne sofortigen Forderungsverzicht unabwendbaren Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – IX ZR 65/14, WM 2016, 1182 Rn. 21) – nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, dass bereits Insolvenzreife vorlag und die Zahlungsschwierigkeiten unüberwindbar waren. Zudem habe der Schuldner die Erklärung nicht als Reaktion auf ein Zahlungsverlangen der Beklagten, sondern von sich aus mit dem Ziel abgegeben, die Forderung der Beklagten durch Ratenzahlungen zu befriedigen. Die Grundsätze, wonach der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung und die nachfolgende ratenweise Tilgung der eigenen Forderung die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nicht entfallen lassen, seien vorliegend nicht einschlägig. Denn die Beklagte musste allein aus der Erklärung des Schuldners nicht dessen Zahlungsunfähigkeit erkennen. Zwar bestand zu dem Zeitpunkt, als der Schuldner einräumte, die offene Forderung nicht sofort und nicht in einem Zuge zahlen zu können, ein deutlicher Forderungsrückstand. Dieser betraf aber nicht betriebsnotwendige laufende Verbindlichkeiten (Steuern, Sozialabgaben, Löhne und Mieten), sondern Forderungen aus der Lieferung von Baustoffen, die ohne weiteres auch von dritter Seite hätten bezogen werden können. Zudem habe der Schuldner durch seine Zahlungen die Gesamtverbindlichkeiten gegenüber der Beklagten tatsächlich um rund ein Drittel zurückgeführt.

    Weiterhin sei der Schuldner auf die Mahnungen der Beklagten nicht untätig geblieben. Das monatelange völlige Schweigen eines Schuldners auf Rechnungen und vielfältige Mahnungen könne für sich genommen ein Indiz für eine Zahlungseinstellung begründen (BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – IX ZR 109/15). Vorliegend aber habe der Schuldner reagiert und die Mahnungen hätten tatsächlich Erfolg gehabt, weil der Schuldner die hier angefochtenen Teilzahlungen erbrachte. Ferner habe die Beklagte in der Erwartung weiterer freiwilliger Zahlungen des Schuldners keine Titulierung und Vollstreckung ihrer Forderung angestrebt. Daher musste sie nicht davon ausgehen, durch den Erhalt der Teilzahlungen besser als die sonstigen Gläubiger des Schuldners gestellt zu werden.

    Darüber hinaus sei der Verzug als weniger schwerwiegend einzustufen, weil die Beklagte gleichwohl die Geschäftsbeziehung zu dem Schuldner aufrechterhielt und nicht etwa zur Durchsetzung ihrer Forderung eine Liefersperre verhängte (anders im Fall BGH, Urteil vom 16. Juni 2016, IX ZR 23/15). Soweit die Beklagte weitere Käufe von Barzahlungen abhängig gemacht habe, entsprach dies dem üblichen Geschäftsgebaren vernünftiger kaufmännischer Vorsicht, ohne dass hieraus auf die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungseinstellung geschlossen werden könne.

    Zusammenfassend hat der BGH mit diesem Urteil die Position der Lieferanten nachdrücklich gestärkt und die Gerichte deutlicher als je zuvor aufgefordert, die in den letzten drei Jahren entwickelte Beweisanzeichen-Rechtsprechung nicht schematisch auf jeden Fall zu übertragen.

    Oliver Willmann
    Rechtsanwalt
    Fachanwalt für Insolvenzrecht

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